Sitzplatzkönige und das stehende Fußvolk

Wer kennt das nicht. Eine volle S-, U- oder Straßenbahn oder, noch besser, ein voller Bus.
In allen dieser wundervollen und praktischen Fortbewegungsmittel gibt es hierarchische Einteilung der Wegbegleiter.

Als erstes gibt es den Türsteher „Du kommst hier ned rein“ in Personalunion mit dem Chauffeur. Manch einer bezeichnet die selben Berufsstände auch einfach und ohne Respekt „Fahrer“.
Man mag es sich kaum vorstellen, aber diese, ganz vorn sitzenden, Leute haben in ihrem Reich, dem jeweiligen Transportmittel, kaum eine Handhabe sich gegen die sich im hinteren Teil des Fahrzeug abspielenden Dinge.

Ich werde mich nur auf das Beispiel „BVG Bus im nachmittäglichen Feierabendverkehr“ beschränken, wohl weiß ich aber, dass dies in jedem öffenlichen Gefährt vorkommt.

Der Bus fährt einen gut gefüllte Haltestelle im spätnachmittäglichen Berlin an. Der Bereich um die Haltestelle ist mit den unterschiedlichsten Leuten befüllt.
Die drei Sitzplätze des Wartehäuschens werden von zwei gut genährten, Zigarette rauchenden und auf einem Handy laut „Musik“ hörenden 13 Jährigen besetzt. Ältere Damen trauen sich nicht etwas zu sagen und stehen auf zitternden Beinen daneben.
Die weiteren Personen tummeln sich im näheren Umfeld um das Haltestellenschild.

Nachdem der Bus stoppt und die Leutchen sich an dem Türsteher, mit erhobenen AB Ticket vorbeidrücken, schleicht sich im hinteren Bereich einer der 13 Jährigen durch eine offene Tür.
Sofort übernimmt er mit seinem, noch immer Bushido dröhnenden, Handy die Regierung des Bushecks. Inklusive auf den Sitzen liegenden Füßen. Sein Kumpel gesellt sich zu ihm um sich die Regierungsverantwortung dort hinten mit ihm zu teilen.

Die Ersten, im Übrigen, welche sich vorn an dem Türsteher (eigentlich sitzt der ja nur rum und schaut desinteressiert) vorbeidrücken, sind die älteren Damen und Herren.
Und dies geschieht mit einer unsäglichen Geschwindigkeit, so dass sich hinter ihnen ein deutlich sichtbarer Stau bildet.

Sie belegen daraufhin auch sofort die Sitzplätze. Aber nur die zum Mittelgang. Der Fensterplatz bleibt frei!
Man hat auch gar keine Chance sich einen solchen Platz am Fenster zu ergattern. Die Bedenken liegen nahe, dass den Herrschaften sonst ein Übel zugefügt würde.

Darum möchte ich diese Sitzplatzblockierer (ob Alt oder Jung ist egal) als Sitzplatzkönige bezeichnen.

Ich bleibe dann meist mal stehen, sind ja nur 5 Stationen,  und gehöre somit zu stehenden Fußvolk.

Der vom Türsteher zum Chauffeur mutierte vorn sitzende Fahrer gibt Gas. Gerade so, als wenn er jetzt auch noch zum Rennfahrer werden wolle.
Am Ende der 5 Stationen Reise werde ich mich fühlen, als hätte ich mehrere Loopings in einer mittleren Achterbahn gedreht.
Was mich aber freut ist, dass die beiden 13 jahrigen Kings vom Busheck auch schön Grau-Grün aus ihrer Wäsche gucken. Aber Bushido brüllt weiter aus dem kleinen Handylautsprecher.

Nach 5 Stationen Reise habe ich mein Ziel fast erreicht. Ich versuche mich in Richtung Tür zu begeben.
Nichts da, die Sitzplatzkönige vorm vorderen Bereich und die Kings vom Heck wollen uns Fußvolk noch mal zeigen wer hier das Sagen hat.

Sie stehen natürlich im Weg vor den Türen herum. Und genauso schnell und mit voller Elan, wie die Herrschaften eingestiegen sind, so stehen sie auch vor der Tür.

Aber jetzt zeigt der Chauffeur, wer der wahre König des Busses ist. Mit einer Bremseinlage, die einem Vettel in nichts nachstehen würde,  vermischt er noch einmal die Könige mit dem Fußvolk.
Es bildet sich nun eine Gemeinschaft gegen den Herrn da vorne und das Schimpfen überdröhnt sogar Bushido.

Meine Endstation ist meine Erlösung. Ich überlasse meine Fahrgemeinschaft dem wahren König der Landstraße.

Mit einem kleinen Blick zurück auf den großen Gelben mache ich mich auf den Heimweg, die letzten 200 Meter bestimme ich den Weg und die Lautstärke meiner Musik.

Ich mag Bushido wirklich nicht 🙁

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